Institut für Germanistik

Kreuzer, Franz: Die schwarze Sonne. Ein Tatsachenroman vom Menschenraub (1956)

Wien: Verl. der Wiener Volksbuchhandlung 1956. (im Text als SS mit fortlaufender Seitenzahl zitiert)

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Die Handlung des Romans stellt die Phänomene Menschenraub und Verschleppung, die durch die sowjetische Besatzungsmacht im Österreich der Besatzungszeit zwischen 1945 und 1955 durchgeführt wurden, ins Zentrum. Verschleppungen erfolgten nicht nur aus Gründen der Repatriierung eigener Staatsbürger, die in der Sowjetunion zu Aufbauzwecken gebraucht wurden, sondern auch aus Furcht vor Spionage. Das Phänomen Menschenraub ist dabei in erster Linie in Zusammenhang mit dem Kalten Krieg zu sehen. Sowohl österreichische Staatsbürger, die sich einer Rechtsverletzung gegen die Besatzungsmacht schuldig gemacht hatten, als auch ehemalige russische Staatsbürger, die in den Westen „abgesprungen“ waren, aber auch ehemalige hochrangige Nazifunktionäre wurden Opfer dieser sowjetischen Praxis.

Kreuzers erster und einziger Roman konnte, wie der Klappentext ausführt, erst erscheinen, nachdem „der letzte russische Soldat Österreich verlassen hatte“; dies weil der Text die sowjetischen Machenschaften im besetzten Österreich nachdrücklich und aufs schärfste kritisiert. Die Machenschaften der Sowjets werden mit verbrecherischen Elementen, darunter Zigarettenschmugglern, in Zusammenhang gebracht. Eine längere Sequenz des Romans widmet sich den Ereignissen rund um den sogenannten „Oktoberstreik“ im Herbst 1950. Der Streik, der aufgrund des vierten Lohn-Preis-Abkommens ausbrach, wurde von der Sozialdemokratie als Putschversuch der Kommunisten instrumentalisiert. Im Roman wird vor allem die Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ) als ein zentraler Faktor bei der Umsetzung des Putschs beschrieben, was den realhistorischen Tatsachen so nicht entspricht.

Die erzählenden Abschnitte des Romans sind unterbrochen durch ein Gerichtsprotokoll, das den Prozess gegen Mirko darstellt, im Zuge dessen seine Taten aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet werden. Hier treten die Hauptfiguren, sowohl die lebenden, als auch die toten, auf, um gegen Mirko auszusagen. Der Prozess ist im dramatischen Modus gehalten, während die Kapitel, die dem Gericht als „Lokalaugenschein“ dienen, in Prosa verfasst sind.

Die Hauptfigur des Romans ist Mirko, ein österreichischer Polizeibeamter und Mitglied der KPÖ, der vom russischen Oberst Orlow angeworben wird, bei Verschleppungen in der Westzone mitzuwirken: „Das ist meine Hauptsorge: die Repatriierung. Ich habe da eine Liste der wichtigsten Fälle. Russische Staatsbürger, die nach dem Westen geflüchtet sind. Wir müssen sie wieder haben. Den größten Teil wenigstens.“ (SS 16) Mirko wird als eine charakterlich deformierte Figur gezeichnet, er ist nicht nur Alkoholiker, sondern auch manischer Glücksspieler und arbeitet vor allem wegen des Geldes für die sowjetische Besatzungsmacht. Allerdings beginnt er seine Rolle zu hinterfragen, als er den Auftrag erhält, Rita, eine gebürtige Moskauerin, die als Zahnarzthelferin in der Westzone arbeitet, „aufzuschließen“ und eine Verschleppung einzufädeln, da Orlow sie für eine Agentin im Dienst der USA hält. Schlussendlich liefert Mirko Rita, in die er sich verliebt hat, an den Oberst aus. Rita wird wegen Spionage verurteilt und in einem sowjetischen Arbeitslager interniert. Ihre Verschleppung wird von einem Journalisten aufgeklärt und Mirko als Täter identifiziert. In einem Prozess vor einem österreichischen Gericht zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, wird er aus der KPÖ ausgeschlossen. Schlussendlich zerbricht Mirko an seiner Tat und wählt den Freitod. Ritas Verschleppung beruht auf einem wahren Fall aus dem Jahr 1948, den Kreuzer und die Arbeiter-Zeitung im Jahr 1951 aufgedeckt hatten. Kreuzer hatte durch hartnäckige Nachforschungen herausgefunden, dass die 1923 in Vjaz’ma (Russland) geborene Marija V. Subač, die 1944 aus Weißrussland nach Wien geflüchtet war, wo sie als Haushaltsgehilfin eines Zahnarztes arbeitete und im Oktober 1950 spurlos verschwunden war, durch den Kriminalbeamten Miroslav Cmejrek, der im dreizehnten Wiener Gemeindebezirk Dienst versah, im Auftrag der sowjetischen Besatzungsmacht verschleppt worden war. Subač wurde wegen „Landesverrat“ zum Tode verurteilt und im Juni 1951 in Moskau hingerichtet. Cmejrek beging Selbstmord.

Zitierbar als: Stefan Maurer: Franz Kreuzer, Die schwarze Sonne. Ein Tatsachenroman vom Menschenraub (1956). kk-diskurse.univie.ac.at

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