Institut für Germanistik

Keller, Paul Anton: Gefährliche Grenze (1956)

Wien: Österreichischer Bundesverlag 1956. (im Text als GG mit fortlaufender Seitenzahl zitiert)

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Der Jugendroman Gefährliche Grenze von Paul Anton Keller handelt von den zwei Buben Richard Dobay (Dick) und Maximilian Dobay (Mac), die, gemeinsam mit ihrem Hund Blondy von der Steiermark aufbrechen, um ihren in Ungarn lebenden Großvater zu besuchen. Kellers Text wirkt wie eine Replik auf das fünf Jahre zuvor erschienene Jugendbuch Die Grenzbuben des kommunistischen Autors Leo Katz, in dem ebenfalls zwei Buben, begleitet von ihrem Hund, in die Volksdemokratie Ungarn aufbrechen, um einen Freund zu suchen, – dies allerdings unter politisch umgekehrten Vorzeichen. Der ideologische Tenor von Gefährliche Grenze ist antikommunistisch und voller rassistischer Stereotype, was nationalsozialistischen Ideologemen geschuldet ist. Keller fungierte ab 1939 als Landesleiter der Reichsschrifttumskammer in der Steiermark, seine Bücher befanden sich nach 1945 auf den Verbotslisten. 

Dick und Mac sind Waisenkinder ungarischer Abstammung, seit längerer Zeit haben sie nichts mehr von ihrem Großvater mütterlicherseits gehört und beschließen deswegen, auch aufgrund der nicht sehr guten Beziehung zu ihrem Stiefvater Matthias Schweiger und wegen dem Hausbesitzer Josef Fürntratt, der den Buben nicht gut gesonnen ist und ihren Hund vergiften will, dorthin aufzubrechen. Auf ihrem Weg über die Steiermark und das Südburgenland in das Grenzdorf Unter-Zemming in Ungarn stoßen die Brüder auf ein scheinbar unüberwindbares Hindernis. Ein Briefträger, den sie nach dem Weg fragen, erklärt ihnen, dass die Welt an der Grenze enden würde, da hier der „Eiserne Vorhang“ verläuft. Auf die kindlich-naive Frage von Dick, ob sich der „Vorhang“ denn nicht aufheben lasse, reagiert der Briefträger amüsiert: „Du glaubt wohl, es ist ein Vorhang aus Mollino oder Hausleinen oder sonst was, gelt? Nein, mein Lieber, dieser Vorhang ist aus Stacheldraht, und hinter dem Stacheldraht liegen die Teufelseier in der Erde, und er ist elendlang und geht mitten durch uns alle.“ (GG 157) Die Metapher des Martialischen und Waffenstarrenden, die dem „Eisernen Vorhangs“ innewohnt, wird in Kellers Text besonders deutlich: dickmaschiger Stacheldraht und Minen („Teufelseier“) machen ihn undurchdringlich. Die Grenze zerschneidet die Welt in zwei Teile, womit die den Kalten Krieg bestimmende bipolare Struktur angesprochen ist. Die Buben überwinden den „Eisernen Vorhang“ und erreichen Ungarn, welches als Land dargestellt wird, das von der Sowjetunion besetzt und damit einem totalitären Staat ausgeliefert ist. Der Großvater lebt in großer Armut und ist voll Furcht gegenüber den neuen Machthabern sowie dem totalitären System, wie er selbst erklärt: „Ungarn ist Volksrepublik, habt ihr davon gehört? [...] Die neuen Herren in Pest [...] haben mir nehmen alles. Aber nicht nur mir allein, – viel Tausende sind dabei, denen haben sie genommen alles und nicht wenige fortgeschickt in Fabrik, in Bergwerk, vielleicht nach Sibirien –’ [...] Bei Volksdemokratie kommen Gute und Schlechte in eine Häfen und wird Suppe gekocht. Da ist dann alles gleich, weil alles krepiert. Das könnt ihr nicht verstehen, braucht nicht. Die fragen nicht um einen oder zehne. Und ich bin alt, – wer braucht alten Mann in Sklaverei? Gehört weg!’“ (GG 205) Die Buben flüchten schließlich gemeinsam mit ihrem Großvater unter höchster Gefahr über die Grenze zurück nach Österreich, wo einem „Happy End“ nichts mehr im Weg steht.

Gefährliche Grenze bedient sich Diskursen, wie sie in antikommunistischen Argumentationsstrategien im Kalten Krieg immer wieder aufscheinen: Nicht nur ist der „Eiserne Vorhang“ eine „Mordgrenze“, welcher die „Volksdemokratien“ vom Rest der Welt trennt, auch die Bevölkerung in den Ländern des realen Sozialismus ist unfrei, der Willkür der Machthaber ausgeliefert und ständig von der Verhaftung und Deportation in die Gulags bedroht.

Zitierbar als: Stefan Maurer: Paul Anton Keller, Gefährliche Grenze (1956). kk-diskurse.univie.ac.at

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