Die Handlung ist zu einer Zeit höchster politischer Spannungen im Kalten Krieg angesiedelt. Der Protagonist Erwant Rafaeljan wird von seinem Arbeitgeber, der westlichen Zeitung „Atriumpress“, nach Dazien im Nahen Osten geschickt, wo er politische Reportagen verfassen soll. Rafaeljan ist in Illyrien geboren, aber in Dazien aufgewachsen, wo er sich aktiv an Bestrebungen der Untergrundbewegung „Nationale Liga“ beteiligte, eine Revolution gegen ein feudalistisches Regime zu initiieren. Nach der Revolution spaltete sich das neue Regime in eine konservativ-nationale Regierungspartei mit dem Namen „Nationale Front“ (NF), die sich von den Westmächten unterstützen lässt, und deren ‚linke Abweichung’, die mittlerweile illegal gewordenen „Nationalen Liga“ (NL), sich mit der Sowjetunion im Bund befindet. Beiden Fraktionen geht es nur um die staatliche Macht, weshalb Rafaeljan sich weigert, eine davon zu unterstützen. Er gerät so zwischen die Fronten, wird von beiden Seiten mit dem Tod bedroht und flieht in den Westen. Seine Bereitschaft, von den politischen Zuständen in Dazien und später Illyrien zu berichten, ermöglicht ihm ein Auskommen als Journalist und Osteuropaexperte in Paris.
Die Machtkämpfe der beiden Fraktionen Daziens werden im Roman ebenso wie innerparteiliche Machtkämpfe, Korruption und menschliche Fehlleistungen auf beiden Seiten satirisch dargestellt. Rafaeljan wird knapp nach dem Übertreten der dazischen Grenze bereits von Agenten beschattet und sieht sich auch mit Mordanschlägen konfrontiert, die jedoch jeweils in letzter Minute abgebrochen werden. Zwar führen ihn beide Parteien auf ihren schwarzen Listen, doch hütet sich die westorientierte NF, den Korrespondenten einer westlichen Zeitung zu töten, während die NL Chancen sieht, ihn auf ihre Seite zu ziehen. Rafaeljans Zugehörigkeit bleibt beiden Fraktionen ein brisantes Rätsel; er gerät er immer wieder in Schießereien, bei denen sich Agenten der NF und NL gegenseitig zum Opfer fallen. Ungeachtet zahlreicher Morde und Anschläge, die oft eigene Mitglieder der jeweiligen Fraktionen treffen, die sich einer neuen Weisung von oben nicht fügen wollen, wird Rafaeljan von Seiten der Regierung dazu gezwungen, die Lage im Land idyllisch und vollkommen unpolitisch zu schildern.
Die NF geht schließlich unter der Bedingung, dass die Mitglieder der NL ausgeliefert werden, einen Bündnispakt mit der Sowjetunion ein. Während sich die Regierungspartei so der Untergrundbewegung entledigt, wird Rafaeljan wieder verdächtig, da er mit deren Mitgliedern Kontakt pflegte und zudem einen Regierungsbeamten erschießt, der eine Ostagentin auf der Flucht getötet hatte. Auch Rafaeljan muss flüchten und kommt nach dem Einblick in seinen heiß umkämpfen Heimatstaat wieder nach Paris zurück.
Der Roman ironisiert die Kultur des Kalten Krieges, in der die Angst vor dem Gegner vorherrscht und groteske Blüten der Spionagekultur, der Verdächtigung und des Misstrauens hervorbrachte. Es wird aufgezeigt, dass es den Akteuren dabei nicht um eine ethische Idee wie Demokratie oder Kommunismus geht, sondern um Machtgewinn, dem einzelne Personen ebenso wie politische Überzeugungen rücksichtslos geopfert werden können. Auch die Praxis der Informationssteuerung durch die Machthaber wird satirisch entlarvt.
Zitierbar als: Doris Neumann-Rieser: Milo Dor/Reinhard Federmann, Die Reisen des Herrn Rafaeljan (1963). kk-diskurse.univie.ac.at