Institut für Germanistik

Billinger, Richard: Donauballade (1959)

In: Ders.: Dramen. Bd. 6. Graz, Wien: Stiasny 1960. S. 199-283.

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Richard Billingers Theaterstück Donauballade wurde am 30. September 1959 in der Regie von Leon Epp am Wiener Volkstheater uraufgeführt. Das fünfaktige Stück verbindet den Bereich des Dämonischen bzw. Mystischen mit dem Motiv des von der anderen Seite kommenden. Mit der anderen Seite ist der Osten gemeint, also die Sphäre hinter dem „Eisernen Vorhang“, der durch die Donau von „Westen“ getrennt ist.

Die Handlung entspinnt sich an einem fiktiven österreichisch-tschechoslowakisch-ungarischen Dreiländereck bei Hainburg an der Donau (Niederösterreich) gegenüber Preßburg (heute: Bratislava) direkt am „Eisernen Vorhang“, in einem alten Gasthof mit dem Namen „Zur schönen Fähre“. Hier verfällt Ilse Pfadenhauer, die Besitzerin des Gasthofs, die eigentlich mit dem Fabrikanten und Kommerzialrat Franz Pfadenhauer verheiratet ist, dem ehemaligen Fährmann Janos Tschamper, der von „drüben“ gekommen ist und im Verlauf des Stücks immer wieder mit dem Teufel gleichgesetzt wird. Von Tschamper wird auch gesagt, er habe seinen Lehrmeister, den Fährmann Elias Loth ermordet. Im Verlauf des Stücks erfährt Ilse vom aus dem Osten zurückgekehrten Franz, dem Sohn der Bahnwächterwitwe Zierfahl, sowie durch ihre Cousine Ida, von Tschampers doppelten Verrat: Dieser ist nicht nur für die Ermordung ihrer Tante, der früheren Wirtin Rosina Descher durch russische Soldaten in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs verantwortlich, sondern er hat auch das Kindermädchen Maruscha damit beauftragt, das gemeinsame Kind Andreas mit einem Schlafmittel zu vergiften. Tschamper soll zuletzt von einem Entführungskommando aus dem Osten, dass von Loth, der den Mordversuch überlebt hat, angeführt wird, verschleppt werden. Dieser versucht zu fliehen und wird von Loths Begleitern erschossen. Für Ilse gibt es ein „Happy End“ in Form der Versöhnung mit ihrem Mann Franz Pfadenhauer.

Bei Gestaltung des östlichen Bereichs und wie dieser auf die andere Seite wirkt, kommt es in der Donauballade zur Überschneidung von verschiedenen Bedeutungsebenen. Billinger operiert mit umgangssprachlich gewordenem Vokabular der politischen Propaganda des Kalten Krieges, wie etwa „Eiserner Vorhang“ oder mit tagespolitischen Ereignissen, wie z.B. Verschleppung. Dass die Figuren der Sphäre des Dämonischen entstammen, versucht Billinger herauszustreichen und lässt die Grenze zwischen Traum und Wirklichkeit verschwimmen. Darüber hinaus bedient er sich sowohl der christlichen Terminologie als auch Gestalten der griechischen Mythologie, so wird z.B. Elias Loth mit dem Fährmann Charon gleichgesetzt, der die Toten über den Fluss Styx übersetzt.

Billinger verbindet die Dämonenwelt mit dem im Kalten Krieg aktuellen politischen Feindbild „Osten“. Die Mischung aus fiktionalen, faktualen und mythischen Elementen aus denen sich die Donauballade zusammensetzt, wurde von Zeitgenossen aller ideologischen Lager kritisiert. Dabei standen der Rezeption des Dramas nicht nur Billingers Verstrickungen mit dem Nationalsozialismus im Weg, sondern auch die Konstellationen des Kalten Krieges. Während Hans Weigel und Friedrich Torberg Billinger vorwarfen, die Intention seines Stückes sei politisch unklar und ziele an den aktuellen Ereignissen des Kalten Krieges vorbei, verurteilten kommunistische Medien das Drama als Hetze gegen den Osten.

Zitierbar als Stefan Maurer: Richard Billinger, Donauballade (1959). kk-diskurse.univie.ac.at

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