Institut für Germanistik

Robert Neumann

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Robert Neumann, geboren am 22.5.1897 (Wien), gestorben am 3.1.1975 (München).

Neumann stammte aus einer jüdischen Familie mit engem Kontakt zur österreichischen Sozialdemokratie. Er studierte an der Universität Wien Medizin, Chemie und Germanistik und promovierte 1919 über Heinrich Heine. In den 1920er Jahren veröffentlichte er erste Gedichte und schlug sich mit verschiedenen beruflichen Tätigkeiten durch. 1927 wurde Neumann mit einem Band literarischer Parodien mit dem Titel Mit fremden Federn gleichsam über Nacht berühmt. Thomas Mann bezeichnete das Buch in einer Umfrage als das beste Buch des Jahres. 1932 folgte ebenso erfolgreich ein weiterer Parodien-Band mit dem Titel Unter falscher Flagge. Der 1932 publizierte Roman Die Macht nahm gegen den aufkommenden Nationalsozialismus Stellung. Nachdem seine Schriften von den Nationalsozialisten in Deutschland verboten worden waren, emigrierte Neumann 1934 nach London.

1939 gründete er im Londoner Exil gemeinsam mit Franz Werfel den ›Austrian PEN-Club‹ neu und engagierte sich bei der Unterstützung von Flüchtlingen aus Österreich. In dem 1939 auf Englisch erschienenen Roman An den Wassern von Babylon setzte sich Neumann mit der jüdischen Diaspora auseinander. 1940 wechselte er die Schreibsprache und 1942 erschien mit Scene in Passing (deutscher Titel: Tibbs) der erste von sechs auf Englisch verfassten Romanen. Sein 1946 auf Englisch und 1948 auf Deutsch publizierter Roman Children of Vienna rief in der österreichischen Presse empörte Reaktionen hervor. Neumann verdichtet darin die traumatischen Erfahrungen von Kindern in der Kriegs- und Nachkriegszeit in einem Kammerspiel mit ebenso albtraumhaften wie hyperrealistischen Szenen. Die heimische Kritik las den Text als wirklichkeitsabbildende und daher ebenso realitätsferne wie misslungene Reportage. Auch nach dem Krieg hält Neumann, seit 1947 britischer Staatsbürger, vorerst an der englischen Sprache fest und beginnt sich im anglophonen Raum als Schriftsteller zu etablieren.

1952 erschien mit Die Puppen von Poshansk sein letzter auf Englisch verfasster Roman. Neumanns düstere Groteske ist eine der frühesten literarischen Auseinandersetzungen mit dem sowjetischen GULag-System. Seine zweite Schriftstellerkarriere endet allerdings spätestens mit seiner Rückkehr auf den Kontinent im Sommer 1958, als er sich im Schweizer Locarno niederlässt. Schon einige Jahre zuvor hatte er wieder auf Deutsch zu schreiben begonnen. In den folgenden Jahren leidet Neumann wie viele Remigranten daran, dass sein Vorkriegs- und Exilwerk in Deutschland und Österreich weitgehend unbekannt ist und dass er mit seinen Texten keinen Anschluss an den zeitgenössischen Literaturbetrieb findet. Neumann verfasst Dokumentationen, Hör- und Fernsehspiele, Zeitungsartikel und Polemiken vorrangig für bundesdeutsche Medien. Dazu kommen autobiographisch geprägte Bücher wie Mein altes Haus in Kent (1957), Ein leichtes Leben (1963) und Vielleicht das Heitere. Tagebuch aus einem anderen Jahr. (1968).

Auch als Literaturfunktionär war Neumann höchst aktiv. Seit 1947 war er Ehrenpräsident des Österreichischen PEN und ab 1950 Vizepräsident des Internationalen PEN. 1965 erhielt er das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst, 1967 die Ehrenmedaille der Stadt Wien in Gold. 1974 erschien als letzte Veröffentlichung zu Lebzeiten die deutsche Neufassung der Kinder von Wien.

Verwendete Quellen:

Franz Stadler: „Wahlfeinde“ des Kalten Krieges. Friedrich Torberg kontra Robert Neumann. In: Michael Hansel, Michael Rohrwasser (Hg.): Kalter Krieg in Österreich. Literatur - Kunst - Kultur. Wien: Zsolnay 2010, S. 213-227.

Günther Stocker: Nachwort. In: Robert Neumann: Die Puppen von Poshansk. Wien: Milena 2012, S. 268-284.

Ders.: Zwischen Grauen und Groteske. Robert Neumanns Gulag-Roman Die Puppen von Poshansk und die Kultur des Kalten Krieges. In: ILCEA. Revue de l’Institut des langues et cultures d’Europe et d’Amérique 16 (La culture progressiste á l’époque de la guerre froide) (2012) ilcea.revues.org/index1247.html [zuletzt aufgerufen 18.2.2014].

Hans Wagener: Robert Neumann. Biographie. Paderborn: Fink 2007.

Zitierbar als: Desiree Hebenstreit, Stefan Maurer und Doris Neumann-Rieser: Robert Neumann, kk-diskurse.univie.ac.at

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