Institut für Germanistik

Rudolf Geist

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Rudolf Geist, geboren am 13.6.1900 (Garschönthal, Mähren), gestorben am 22.4.1957 (Wien), wuchs als Sohn eines Bäckergehilfen und einer Landarbeiterin in Wien auf.

Am 18.2.1918 wurde er in die österreichisch-ungarische Armee eingezogen, er versuchte zweimal zu desertieren. Neben beruflichen Tätigkeiten als Arbeiter beschäftigte er sich mit Literatur, Philosophie und Wissenschaft. Sein literarisches Werk ist geprägt von persönlichen Erfahrungen und politischen Ereignissen und zeugt von Engagement für sozial benachteiligte Gruppen (Arbeitslose, Roma). Ab 1923 versucht er als freier Schriftsteller zu leben und gibt ab September die Literaturzeitschrift Schriften heraus. 1924 erscheint in der von Leo Schmidl herausgegebenen Zeitschrift Das Wort sein Artikel Partei und Pazifismus, der vor dem Hintergrund des Ersten Weltkrieges Kritik am Parteiapparat der Sozialdemokratie übt (vgl. Gauss/Geist, S. 43).

1925 erscheint sein erster Roman Nijin. Der Sibire, in dem es um die russische Revolution und den Aufbau der Sowjetunion geht. Dieser sollte 1946 im Erwin Müller Verlag neu aufgelegt werden, nachdem Geist in einem Schreiben an die russische Behörde die prosowjetische Tendenz des Werkes betont hatte, um die Genehmigung durch die Zensur zu erhalten. Die Neuauflage scheiterte jedoch am Einspruch der sowjetischen Zensurstelle. (Verl. E. Müller an Geist)

1927 erscheint Geists Bericht Die Wiener Julirevolte, in dem er im Zusammenhang mit dem Justizpalastbrand Kritik an der Klassenjustiz in Österreich übte. 1929 nahm er am ›Ersten europäischen Vagabunden-Kongreß‹ in Stuttgart teil, wo sich sozialrevolutionäre Teilnehmer aus verschiedenen politischen Lagern und sozialen Schichten versammelten. Bis 1938 besuchte Geist mehrmals Deutschland; er pflegte dort Kontakte etwa mit den deutschen Verlegern Erich Kunter und – später, in den 1950ern – Paul Heinzelmann, sowie mit einigen Schriftstellern darunter Erich Mühsam. Langjährigen Briefkontakt hielt er außerdem zu Upton Sinclair. Er publizierte Gedichtbände, Novellen, Romane sowie politische und kulturpolitische Essays. 1933 fiel Geists Roman Der anonyme Krieg (1928) der nationalsozialistischen Bücherverbrennung zum Opfer, sämtliche Schriften Geists wurden laut der 1938 publizierten „Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums“ verboten. 1937/38 arbeitet er an der von Otto Basil herausgegebenen Zeitschrift Plan mit, die sich als Dokument des antifaschistischen kulturellen Widerstands in Österreich verstand.

Am 3.9.1939 wurde Geist von der Gestapo in Wien festgenommen und wegen kommunistischer Mundpropaganda und Vorbereitung zum Hochverrat zu einer Haftstrafe verklagt, die am 10. oder 12.12.1940 – laut Otto Basil durch eine Intervention Josef Weinhebers (Gauss/Geist, S. 92; Geist 2001, S. 248) – endet. Nach einer Wehrdiensteinberufung am 17.2.1941 wird Geist schon am 27.3.1941 wieder entlassen.

1945 wurde er Mitglied in der KPÖ Hietzing, trat aber am 5.3.1947 wieder aus. Nach 1945 schloss er sich der wiederaufgenommenen Arbeit am Plan an, wo sein Beitrag Österreichische Verpflichtung, der Emigranten und Daheimgebliebene zur Zusammenarbeit aufruft, publiziert wurde. Geists Artikel Dynamik und Weltordnung wurde als „politisch eigenbrötlerisch“ (Basil an Geist) vom Plan abgelehnt, worauf Geist seine Mitarbeit in der Redaktion aufkündigte. Von einem am 11.8.1945 abgeschlossenen Vertrag mit dem Erwin Müller Verlag erwartet sich Geist viel, doch gerät der Verlag 1948 in finanzielle Schwierigkeiten und muss 1950 eingestellt werden. (Mitterböck).

Seine Schrift Genius. Schriften für die Idee der Menschheit (UNO und sozialistische Weltgesellschaft) kam 1946 im ›Weltweiten Verlag‹ heraus, den Kurt Zube bis 1949 in Gmunden betrieb. Er vertrat in dieser essayistischen Schrift eine pazifistische Position, die sich gegen politische Polarisierungen richtete. Die Schrift wurde in Rezensionen von allen drei Parteien gelobt. Im Literaturbetrieb der Nachkriegszeit konnte Geist jedoch nicht Fuß fassen. Ab 1948 bezog er Opferfürsorgerente und arbeitete an Werken, die großteils unveröffentlicht geblieben sind. In dem Romanmanuskript Augenzeuge Menschheit beschrieb er die Gefahr eines Dritten Weltkriegs in Zusammenhang mit der Entwicklung von Atomwaffen.

Verwendete Quellen:

Otto Basil an Rudolf Geist, Brief vom 29.3.1946, Rudolf-Geist-Archiv.

Karl-Markus Gauss, Till Geist (Hg.): Der unruhige Geist. Rudolf Geist. Eine Collage. Salzburg: O. Müller 2000.

Rudolf Geist: Die Wiener Julirevolte. Bericht eines Augenzeugen. Heilbronn: O. Ulrich 1927.

Till Geist: Ein Vergessener wird wieder entdeckt: Rudolf Geist. In: Biblos 50 (2001) H. 2, S. 245-262.

Rudolf Geist Archiv, Spittal an der Drau, Ponauerstraße 4.

Isabella Mitterböck: Buchmarkt und Verlagswesen in Wien während der Besatzungszeit 1945-1955. Bd. II. Wien: Diss. 1992, S. 740-742.

Verlag Erwin Müller an Rudolf Geist, Brief v. 29.6.1946, Rudolf-Geist-Archiv.

N.N.: Lebenslauf, Dokument, Dokumentationsarchiv d. Österreichischen Widerstands, 20886.

Wienbibliothek, Tagblattarchiv.

Zitierbar als: Desiree Hebenstreit, Stefan Maurer und Doris Neumann-Rieser: Rudolf Geist, kk-diskurse.univie.ac.at

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