Institut für Germanistik

Ernst Fischer

Autorenporträt herunterladen

Ernst Fischer, geboren am 3.7.1899 (Komotau, damals Nordböhmen, heute Tschechien), gestorben am 31.7.1972 (Deutschfeistritz, Steiermark).

Fischer wuchs in einer großbürgerlichen Familie in Graz auf. Bereits in der Schul- und Studienzeit fertigte er zahlreiche literarische Arbeiten, darunter vom Expressionismus geprägte Theaterstücke an. 1920 trat er der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei bei und war im sozialdemokratischen Umfeld aktiv. Nach dem Justizpalastbrand 1927 galt Fischer als einer der Organisatoren der Jugend- und Linksopposition in der österreichischen Sozialdemokratie. Von 1927 bis 1934 war er Redakteur der sozialdemokratischen Arbeiterzeitung (AZ), trat jedoch nach den Februarkämpfen 1934 der KPÖ bei und emigrierte mit dem Schutzbundzug über Prag nach Moskau.

Ab 1935 politischer Aufstieg als KPÖ-Vertreter bei der ›Kommunistischen Internationale‹ (Komintern), von 1938 bis 1943 als Redakteur des deutschsprachigen Komintern-Organs Die Kommunistische Internationale sowie bei Radio Moskau tätig. 1937 publizierte Fischer mit Vernichtet den Trotzkismus! und Der Arbeitermord von Kemerowo zwei Broschüren, die die Moskauer Schauprozesse rechtfertigten. Die Auseinandersetzung mit seinem politischen Wirken, u. a. als Vertreter des Zentralkomitees der KPÖ beim Exekutivkomitee der Komintern (1935–1938) während seines Exils in Moskau, die er in seiner Autobiographie Erinnerungen und Reflexionen (1969) behandelt, wurde als beschönigend kritisiert.

Im April 1945 Rückkehr nach Österreich, wo er mit Johann Koplenig und Friedl Fürnberg an der Parteispitze der KPÖ stand und als Mitglied der Provisorischen Regierung unter Karl Renner (April bis Dezember 1945) als Staatssekretär für Volksaufklärung, Erziehung und Unterricht fungierte. Bis 1959 war er Abgeordneter zum Nationalrat. Neben seiner politischen Tätigkeit war Fischer auch literarisch und publizistisch aktiv. Bis 1947 wirkte Fischer als erster Chefredakteur der gemeinsam von SPÖ, ÖVP und KPÖ herausgegebenen Tageszeitung Neues Österreich und ab 1948 als Redakteur der kommunistischen Zeitschrift (Österreichisches) Tagebuch.

1950 erschien im parteieigenen Globus-Verlag Der große Verrat. Ein politisches Drama in fünf Akten, das am 13.4.1950 im Theater an der Scala in Wien uraufgeführt wurde. Die Handlung richtete sich propagandistisch gegen die Politik Josip Titos, des Ministerpräsidenten von Jugoslawien. Fischer selbst beschrieb das Stück später als Produkt seiner durch den Kalten Krieg ausgelösten „Re-Stalinisierung“ und distanzierte sich später davon. Während das Tagebuch das Stück als politischen und künstlerischen Verdienst würdigte, wurde es in anderen Zeitungen als politisches Propagandastück rezipiert. Milo Dor und Reinhard Federmann betonten, dass das Stück die Ursachen für den Abfall Titos von Moskau falsch darstelle.

1952 erschien im selben Verlag Die Brücken von Breisau. Eine Komödie in drei Akten, das am 22.3.1952 unter dem Titel Höchste Zeit...! Die Brücken von Breisau in der Scala uraufgeführt wurde. Da Fischer 1956 eine vom österreichischen P.E.N.-Club herausgegebene Resolution gegen die Niederschlagung des „Ungarischen Volksaufstandes“ durch die Truppen des „Warschauer Paktes“ nicht unterschrieb, musste er aus dem P.E.N.-Vorstand zurücktreten, sein Ausschluss erfolgte 1957. Differenzen mit dem Sowjet-Kommunismus zeigen sich spätestens ab 1966 in seiner Distanz zu künstlerischen Auffassungen des sozialistischen Realismus.

Seine beiden 1962 erschienenen Kafka-Aufsätze in der ostdeutschen Zeitschrift Sinn und Form gelten als antistalinistische Kritik. Als Teilnehmer auf der Kafka-Konferenz 1963 in Liblice (ČSSR), die als politisches Signal der „Entstalinisierung“ gesehen wird, forderte Fischer: „Gebt Kafka ein Dauervisum“. Seine 1968 erfolgte Kritik am „Panzerkommunismus“ und an der Besetzung der ČSSR führte 1969 zum Parteiausschluss. 1973 erschienen posthum seine Erinnerungen unter dem Titel Das Ende einer Illusion, in denen er sich mit der Nachkriegszeit 1945 bis 1955 auseinandersetzt.

Verwendete Quellen:

fedor: Der große Verrat. In: Trotzdem 3 (1950) H. 9, 6.-19.5.1950, S. 3.

Bernhard Fetz (Hg.): Ernst Fischer. Texte und Materialien. Wien: Sonderzahl 2000.

Ernst Fischer: Vernichtet den Trotzkismus. [Straßburg]: Éditions Prométhée 1937.

Ders.: Der Arbeitermord von Kemerowo: Die verbrecherische Tätigkeit der Trotzkisten. Zürich: Freie Schweiz 1937.

Ders.: Franz Kafka. In: Sinn und Form 14 (1962) H. 4, S. 497-553.

Ders.: Entfremdung, Dekadenz, Realismus. In: Sinn und Form 14 (1962) H. 5/6, S. 816-854.

Ders.: Erinnerungen und Reflexionen. Reinbek/H.: Rowohlt 1969.

Ders.: Das Ende einer Illusion. Erinnerungen 1945–1955. Frankfurt/M.: Vervuert 1988.

Bruno Frei: Der große Verrat. Aus Anlaß der Uraufführung von Ernst Fischers Drama in der Scala. In: Tagebuch 5 (1959) H. 8, 15.4.1950, S. 1.

Globus-Verlag an Ernst Fischer, Brief v. 21.11.1955, Zentrales Parteiarchiv der KPÖ, Alfred Klahr Gesellschaft, Wien.

h[ans] h[einz] h[ahnl]: Volksdemokratisches Panoptikum. In: Arbeiter-Zeitung, 16.4.1950, S. 7.

Karl Kröhnke: Ernst Fischer oder die Kunst der Koexistenz. Frankfurt/M., Wien: Büchergilde Gutenberg 1994.

Michael Rohrwasser: „In Sibirien verstehen wir Kafka besser.“ Franz Kafka und der Kalte Krieg. In: Michael Hansel, Michael Rohrwasser (Hg.): Kalter Krieg in Österreich. Literatur - Kunst - Kultur. Wien: Zsolnay 2010, S. 153-167.

Zitierbar als: Desiree Hebenstreit, Stefan Maurer und Doris Neumann-Rieser: Ernst Fischer, kk-diskurse.univie.ac.at

Institut für Germanistik | FWF-Projekt „Diskurse des Kalten Krieges“ (Projektnummer P 22579-G20)  | Universität Wien  | Universitätsring 1  | A-1010 Wien