Institut für Germanistik

Wantoch, Susanne: Das Haus in der Brigittastraße (1955)

Roman. Wien: Globus 1955.

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Im Mittelpunkt der Handlung steht das titelgebende Haus in der Brigittastraße, welches während des Zweiten Weltkriegs zerbombt wurde und in der Nachkriegszeit durch den profitgierigen Realitätenvermittler Liebert wieder aufgebaut werden soll. Die Hauptfigur des Romans ist die Kriegswitwe Martha Stanzl, eine Näherin im Betrieb des Großschneidereibetriebs von Georg Krenek, die seit Kriegsende auf engem Raum mit ihren Eltern zusammenlebt und in die Brigittastraße, wo sie vor der Zerstörung im selben Haus mit ihrem Mann, der während des Kriegs gefallen ist, gewohnt hat, zurückkehren möchte. Mit großem finanziellen Aufwand und schwerer Arbeit kann sich Martha, die eine Beziehung mit dem verheirateten und sie ausnützenden Betrüger Kurt Zellner eingeht, eine Wohnung erwerben und träumt von einem neuen Leben in der Brigittastraße. Doch als der Neubau zusammenbricht verliert nicht nur der junge Arbeiter und engagierte Kommunist Karl Berger das Leben, sondern auch Martha die Möglichkeit eines Neuanfangs. Bergers Freundin und Marthas Arbeitskollegin, die junge Rosl Andraschitz, die sich im Laufe des Romans zur Kommunistin wandelt, versucht gemeinsam mit Martha für soziale Gerechtigkeit zu kämpfen. Auch Martha nähert sich immer mehr den ideologischen Positionen der Kommunisten an und fungiert schließlich als Betriebsrätin in Kreneks Firma – sehr zum Ärger desselben, der amerikanische Arbeitsmethoden einführt, sich den zahlreichen Protesten der Belegschaft kaum erwehren kann und dessen Versuche, Martha und Rosl des Diebstahls zu überführen, nicht gelingen. Wichtige Figuren sind auch das Arbeiterehepaar Hans und Franzi Prohaska, die stets bemüht sind für soziale Gerechtigkeit zu sorgen und den anderen Figuren den "richtigen" ideologischen Weg aufzeigen.

Die Ruine in der Brigittastraße zieht aber auch den jungen Maler Ferdinand Krenek, Bruder des Betriebsbesitzers Krenek an, der in dem zerbombten Haus ein Abbild der heutigen Zeit erblickt. Ferdinand, Mitglied der Künstlergruppe „Die Ratten“, die vor allem abstrakte Kunst produzieren, sieht wenig Sinn im Leben und wird bei einem Selbstmordversuch von Martha Stanzl gerettet. Von einem anderen Mitglied der „Ratten“, Leo Leitner, wird er dazu angeworben, für den amerikanischen Geheimdienst CIC zu arbeiten, lehnt dies jedoch ab – auch als er von Leo erpresst und vom CIC verschleppt wird, da er bereits einen Vorschuss für seinen Auftrag erhalten hat, den er nicht zurückzahlen kann. Ferdinand wandelt sich schließlich von einem „nihilistischen“ Maler zu einem Künstler, der mit den Prinzipien des sozialistischen Realismus sympathisiert und schlussendlich als einfacher Arbeiter tätig ist.

Der Roman positioniert sich eindeutig als kommunistischer Propagandatext und arbeitet sich an den ideologischen Zielsetzungen ab, wobei der Klassenkampf ein wesentliches Motiv ist. Er führt eine Kapitalismuskritik und weist in gängiger rhetorischer Praxis der Kommunisten die Amerikaner als die neuen Nazis aus. Die Bi-Polarität des Kalten Krieges zieht sich durch den gesamten Roman, was sich bereits am Figurenensemble zeigt. Alle diejenigen, die der Arbeiterklasse zugeordnet sind, werden zunächst Opfer des Kapitalismus und konvertieren in der Folge zur kommunistischen Ideologie (nicht zur Partei). Die Kapitalisten dagegen sind die „Bösen“ (Krenek, Liebert). Sie beuten die Arbeiter aus und sind nur auf ihren eigenen Profit bedacht. Auch Phänomene wie Spionage und moderne Kunst spielen eine Rolle im Verlauf des Romans. Erstere wird als ein Werkzeug dargestellt, dessen sich die Amerikaner auf brutale Weise bedienen, letzterer wird der sozialistische Realismus als einzig mögliche Alternative gegenübergestellt.


Zitierbar als: Stefan Maurer: Susanne Wantoch, Das Haus in der Brigittastraße (1955). kk-diskurse.univie.ac.at

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