Institut für Germanistik

Schwarz, Helmut: Im Aschenregen (ca. 1961)

Maschinschriftliches Typoskript, Österreichisches Theatermuseum (Wien), Nachlass Helmut Schwarz.(im Text als AR mit fortlaufender Seitenzahl zitiert)

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Das Drama entstand vermutlich 1961 und wurde 1962 in Linz uraufgeführt. Der Text findet sich als Typoskript im Nachlass des Autors im Theatermuseum in Wien. Das Drama gliedert sich in zwei Akte und ein Zwischenspiel, das in der Mitte der beiden Akte liegt und in einer Traumvision besteht.

Schauplatz der Handlung in beiden Akten ist das Haus des Strahlenbiologen Dr. Bernings, in dem drei Soldaten (Phil Webster, Harry Duff und Roger Newman) während ihres Sonderurlaubs untergebracht werden. Ihr Kollege Mac Eldridge ist mit Kopfschmerzen, Übelkeit und Schwindel ins Krankenhaus gebracht worden, jedoch rechnen die anderen Soldaten mit seiner baldigen Genesung. Dass sie während ihres Urlaubs von Dr. Lewis, einem Arzt der Armee, begleitet werden, lässt sie ebenfalls noch nicht argwöhnisch werden. Erst durch ein Gespräch zwischen Bernings und Lewis werden die Hintergründe von Eldridges Erkrankung offensichtlich. Eldrige wurde bei einem Übungsmanöver verstrahlt, da er sich der Gefahr der Strahlung in dem durch radioaktiven Aschenregen verseuchten Gebiet nicht bewusst war und sich seines Schutzanzuges entledigte. 

Mary Eldridge, die auf ihren Mann im Hause Bernings wartet, ahnt Böses. Auf einem Spaziergang erschrickt sie durch den Anblick einer zweiköpfigen Kröte. Ihr Bestreben, mehr zu erfahren, auch wenn es eine schmerzliche Wahrheit sein sollte, führt zum parabelhaften Zwischenspiel, in dem sie die Grenze zum Totenreich übertritt und die gefallenen Soldaten anklagt, ihren Mann widerrechtlich zu sich geholt zu haben. Sie erklärt, ein Kind von ihm zu erwarten und ist der Verzweiflung nahe. Der Chor der Toten ermutigt sie daraufhin, dieses Kind als Chance zu sehen und an einer besseren Zukunft zu arbeiten. Anstoß sollen gerade die alarmierenden ‚Zeichen’ der Zeit sein, die sich in zerrütteten Beziehungen, Vergnügungssucht und Oberflächlichkeit der modernen (US-amerikanischen) Gesellschaft ebenso zeigen, wie an dem verantwortungslosen Fortschritts- und Machtstreben der militärischen Führung und der Wissenschaft. 

In diesem Sinne ‚gezeichnet’ sind die Figuren des Dramas innerhalb der Vision des Zwischenspiels: Robert Newman schwängert knapp nach dem Strahlenunfall Laura Bernings, die eine Frühgeburt erleidet, bei der Mutter und Kind sterben. Mickey Duff, die Frau von Harry, bringt ein lebendes Kind zur Welt, das allerdings Missbildungen aufweist. Sie verweigert, „das entartete Leben zu schützen“ (AR 32), was zum Tod des Kindes führt. Diese Schicksale werden als Strafen Gottes gedeutet: „Alle Plagen Ägyptens über dieses Geschlecht / Tod der Erstgeburt, Siechtum und Seuchen!“ (AR 35)

Phil Webster stirbt zwar, doch seine drei bereits einige Zeit vor dem Unfall geborenen Kinder werden von seiner Frau großgezogen und bilden Hoffnungsträger für eine bessere Zukunft. Mit dieser Mahnung des Chors endet das Zwischenspiel: „Botschafter Ihr, seid entlassen! / Mit Eurem gezeichneten Leben, / Mit Antwort entlassen! [...] Ob man etwa beherzigt die Mahnung / Und danach zu leben gedenkt!“ (AR 38)

Im zweiten Teil erfahren die Figuren von Macs Tod und ahnen schreckliche Folgen auch für sich selbst. Das weitere Schicksal der Figuren lässt das Stück offen.

Die radioaktive Verstrahlung der Protagonisten ist in diesem Drama Symptom und Kulminationspunkt einer allgemeinen Haltlosigkeit und eines (christlichen) Werteverfalls, der sich in fehlender Nächstenliebe und zerrütteten familiären Zuständen ausdrückt, aber auch in der Hybris der (westlichen) Wissenschaft und Regierung. Die Strafe für den verlorenen Gottesglauben der Väter trifft auch, als eine Art Erbsünde, die Nachkommen.

Zitierbar als: Doris Neumann-Rieser: Helmut Schwarz, Im Aschenregen (ca. 1961). kk-diskurse.univie.ac.at

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