Institut für Germanistik

Dor, Milo/Federmann, Reinhard: Internationale Zone (1953)

Wien: Picus 1994. (im Text als IZ mit fortlaufender Seitenzahl zitiert)

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Mit Internationale Zone legten Milo Dor und Reinhard Federmann die österreichische Version der US-amerikanischen hard-boiled Literatur vor, deren bekannteste Vertreter Raymond Chandler oder Dashiell Hammett waren. Der 1953 im Wiener Forum-Verlag erschienene, als politischer Thriller konzipierte Roman rückt das Österreich des frühen Kalten Krieges und der Besatzungszeit in den Mittelpunkt. Dadurch gelangt das unsichere Terrain des in vier Besatzungszonen geteilten Landes in den Fokus des Geschehens. Vor allem Wien galt als Knotenpunkt der internationalen Geheimdienste, die Österreicherinnen und Österreich für ihre Zwecke engagierten. Des Weiteren geraten auch Fälle von Menschenraub ins Blickfeld, die teilweise am helllichten Tag auf offener Straße stattfanden.

Der Text stellt keine zentrale Helden- oder Identifikationsfigur bereit, fast alle Protagonisten sind in die Machenschaften der sowjetischen Besatzungsmacht verstrickt und in Schwarzmarkt-Geschäfte oder andere verbotene Aktivitäten verwickelt. Im Mittelpunkt der spannungsreichen Handlung steht der rumänische Schwarzhändler George Maine, der für die sowjetische Besatzungsmacht aus den westlichen Zonen mithilfe einer Bande von Kriminellen Menschen verschleppt. Als Gegenleistung wird sein illegaler Schmuggel und Handel mit Zigaretten, die via Tanger und Ungarn nach Österreich gelangen von der sowjetischen Besatzungsmacht gedeckt. An einer Stelle des Romans erklärt Maine die Bedeutung der Position Österreichs zwischen den Blöcken: „Wien ist ein offenes Tor. Das letzte offene Tor zwischen Ost und West. Weißt du, warum es hier so ruhig ist? Weil sie [die Besatzungsmächte] hier verdienen. […] Devisen machen sie hier, für ihre Panzer und ihre Kanonen.“ (IZ 92) 

Bei den Opfern des Menschenraubs handelt es sich um Überläufer, ehemalige Angehörige der Roten Armee oder sogar, wie im Fall des ungarischen Juweliers Imre Zoltan, um Doppelagenten. Zoltan ist jedoch keineswegs freiwillig Doppelagent, sondern wird mit seiner Frau und seinen Kindern erpresst, die er in seiner Heimat als Geiseln zurücklassen musste. Die Verschleppung Zoltans, die auf der Linzer Donaubrücke, wo sich die amerikanisch-sowjetische Zonengrenze befand, ihren dramatischen Höhepunkt findet, scheitert. Zoltan stirbt aufgrund einer Überdosis eines Schlafmittels und Maine wird, ebenso wie seine Schmugglerbande, festgenommen. Maine wird in einem sowjetischen Durchgangslager in Niederösterreich festgehalten. Über ihm, wie auch den anderen Figuren des Romans, schwebt die Bedrohung durch den Stalinismus, so finden etwa die Gulags in Kolyma und Karaganda Erwähnung. Bevor seine Deportation in die Sowjetunion erfolgt, kann Maine mit Hilfe seines Freundes Petre Margul, einem rumänischen Dichter, aus dem Lager entkommen und in die internationale Zone in der Wiener Innenstadt flüchten. Aufgrund des Verrats durch den Doppelagenten Paul Binder wird er in ein Feuergefecht mit der Militärpolizei verwickelt und erschossen. 

Die Handlung des Romans zeichnet ein scharfes und atmosphärisch dichtes Bild  Österreichs während der Besatzungszeit. In vielen Aspekten schließt der Text von Dor und Federmann an zeitgenössische politisch-publizistische Diskurse an, insbesondere auf die Enthüllungen der Arbeiter-Zeitung (12. Januar 1950), die postulierte, dass das Land von einer „exterritorialen Unterwelt“ beherrscht würde und vor allem der sowjetischen Besatzungsmacht vorwarfen, mit Verbrechern zusammenzuarbeiten. Damit kritisierte die Arbeiter-Zeitung die unterschiedlichen Gesetze, die in den verschiedenen Zonen zu Anwendungen kamen, da sich dadurch Verbrecher nicht nach österreichischer Gerichtsbarkeit verurteilen ließen. 

Zitierbar als: Stefan Maurer: Milo Dor/Reinhard Federmann: Internationale Zone (1953). kk-diskurse.univie.ac.at

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