Institut für Germanistik

Bruckner, Karl: Nur zwei Roboter? (1963)

Wien: Verlag f. Jugend und Volk 1963.

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In einem amerikanischen Labor arbeiten Wissenschaftler am Geheimprojekt „William“, über das keine Informationen an die Weltöffentlichkeit dringen dürfen, da es vor dem politischen Gegner – der Sowjetunion – verborgen werden muss. Dieses Grundszenario des Kalten Krieges betrifft in Bruckners Jugendroman, der eine Entschärfung der bipolaren Logik im Kalten Krieg anstrebt, nicht militärisches oder waffentechnisches Wissen, sondern das Know-How zur Herstellung einer möglichst menschenähnlichen Maschine für die bevorstehende Weltausstellung.

Das Szenario der Weltausstellung ist charakteristisch für die Stoßrichtung dieses Textes: die ‚Augen der Welt’, für die diese Ausstellung gedacht ist, richten sich auf die beiden Großmächte des Kalten Krieges, deren Konkurrenzverhältnis um die Vormachtstellung innerhalb der Weltpolitik sich dadurch in ein Konkurrenzverhältnis um die Gunst des Publikums verwandelt. So soll der Roboter in Sprachkenntnis, Malerei, Gesang und Emotionalität brillieren. Zwar setzt die Sowjetunion Spione ein, um die Details der US-amerikanischen Robotertechnologie in Erfahrung zu bringen, doch verwendet sie diese im Wesentlichen dazu, um einen noch besseren Maschinenmenschen zu konstruieren. Es handelt sich bei dem Projekt um die Erschaffung eines ‚weiblichen’ Roboters namens Natascha. Dieser wird von einem Physiker und Technikerteam in der Sowjetunion hergestellt, das in Streit darüber gerät, ob Natascha emotional gestaltet werden darf, da man fürchtet, sie dadurch zu einer Pazifistin zu machen. Schließlich benötigen aber weder Natascha noch William Gefühle, um den Kalten Krieg zu hinterfragen und zu boykottieren. Die bloße Logik der beiden Maschinenmenschen lässt sie zu diesem Schluss kommen.

Der Text transformiert – gegen die Intentionen und Logiken der Protagonisten – das Wettrennen um die bessere Menschen-Technologie in ein Wettrennen um die ‚Menschlichkeit’ selbst, die von den beiden schließlich fertig gestellten Robotern verkörpert wird, indem sie an freundschaftlichem Umgang untereinander und unter der Weltbevölkerung interessiert sind. Damit geraten sie allerdings in Konflikt mit ihren Erbauern, die noch in der bipolaren Weltsicht gefangen sind. Die Praxis die aus dieser Weltsicht resultiert, wird durch typische Motive von Spionageerzählungen demonstriert: Sabotage, Erpressung, Festnahme von Spionen und Saboteuren, Verhöre, Misstrauen, Angst vor Spitzeln und vor staatlichen Geheimdiensten, sowie vor Verhaftung als Spion. Die beiden Roboter fügen sich nicht in diese Kultur des Kalten Krieges. Sie wollen einander kennenlernen und zeigen sich widerwillig gegen die bipolare Logik. Natascha lässt sich von einem Reporter über US-amerikanische Mode unterrichten und William hinterfragt das amerikanische Freiheitsideal, da man ihn gewaltsam daran hindert, Natascha aufzusuchen, die in einem Käfig – also hinter einem ‚Eisernen Vorhang’ festgehalten wird.

Als William in einen Streik tritt und Natascha seinem Beispiel folgt, setzen sie die beiden Großmächte tatsächlich unter Druck, da beide friedlich und freiheitsliebend wirken wollen. So wird mit übertriebenen, lächerlich anmutenden Sicherheitsvorkehrungen ein Treffen der beiden Roboter veranstaltet. 

Als etwas später der für sie zuständige leitende Ingenieur von Natascha dazu gebracht wird, sie freizulassen, erkennt die Sowjetregierung die positive propagandistische Wirkung dieses ‚Vergehens’. In ihrem Bestreben, das Wohlwollen der Weltöffentlichkeit zu erlangen, die über die öffentliche Weltausstellung Einblick in das Tun und Lassen der beiden Großmächte hat, werden diese sukzessive dazu gezwungen, ihre wechselweise feindliche Haltung aufzugeben und schließlich sogar ein gemeinsames Raumfahrtsprojekt zu starten.

Der Roman protestiert gegen die verhärteten Fronten im Kalten Krieg, nicht ohne auf die Atomgefahr hinzuweisen, die – bei ‚logischer’ Betrachtung durch die Roboter – zu einer Einigung der USA und UdSSR im Interesse aller animieren müsste.

Zitierbar als: Doris Neumann-Rieser: Karl Bruckner, Nur zwei Roboter? (1963). kk-diskurse.univie.ac.at

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