Institut für Germanistik

Erika Mitterer

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Erika Mitterer, geboren am 30.3.1906 (Wien), gestorben am 14.10.2001 (Wien). Mitterer wuchs in einer bürgerlichen Wiener Familie auf. Sie absolvierte eine sozialpädagogische Ausbildung und arbeitete mehrere Jahre lang als Fürsorgerin. In ihrer Jugend erfolgten erste Schreibversuche, 1924 bis 1926 stand sie in einem lyrischen Briefwechsel mit Rainer Maria Rilke. Ab 1927 pflegte sie Kontakte mit literarischen Kreisen, darunter Hans Carossa, Friedrich Gundolf, Stefan Zweig und Felix Braun.

Nach dem Erfolg ihres ersten Gedichtbandes Dank des Lebens (1930), der in Deutschland veröffentlicht wurde, war sie hauptberuflich als Schriftstellerin tätig und publizierte Lyrik, Erzählungen und Dramen. 1940 veröffentlichte sie den historischen Roman Der Fürst der Welt, der sich in parabolischer Form mit dem Nationalsozialismus auseinandersetzt. Obwohl Mitterers Involvierung in das NS-System und ihr Erfolg als Schriftstellerin im Dritten Reich von der Literaturwissenschaft diskutiert wird, gilt der Roman als eines der wichtigen Werke der „Inneren Emigration“ in Österreich. Von April bis Oktober 1945 führte Mitterer ein Tagebuch über die österreichische Nachkriegszeit, in dem sie die Lebensbedingungen und den Kontakt mit den Besatzungsmächten beschreibt.

1945 kam mit Wir sind allein Mitterers erster Roman der Nachkriegszeit im Wiener Luckmann Verlag heraus. Im selben Verlag erschienen 1946 auch Zwölf Gedichte, die sie in der Zeit zwischen 1933 und 1945 verfasst hatte. Mitterer schrieb weitere Romane, Erzählungen und Jugendbücher, in denen sie sich zeitgenössischen gesellschaftspolitischen Problemen und Fragen der Vergangenheitsbewältigung in Österreich gewidmet hat. 1949 unterzeichnete Mitterer das Begrüßungstelegramm österreichischer Intellektueller an den Pariser Weltfriedenskongress, der sich gegen die Entstehung militärischer Blöcke wandte.

1951 erschien Die nackte Wahrheit, ein Heimkehrerroman, in dem Mitterer Probleme der Nachkriegsgesellschaft beschrieb und sich mit der Besatzung Österreichs befasst. In der kommunistischen Zeitschrift Tagebuch wurde die „Russenangst“ der Autorin kritisiert, durch die ein falsches Bild entstehe. Das Jugendbuch Tauschzentrale (1958), publiziert im Wiener Luckmann Verlag, welches als Fortsetzungsroman in der Arbeiter-Zeitung publiziert worden war, setzt sich mit der Aufnahme des „Ungarischen Volksaufstandes“ in Österreich auseinander. Eine österreichische Familiengeschichte wird dabei in Beziehung zu den dramatischen Ereignissen in Budapest gesetzt. Dadurch sowie den Kontakt mit einem ungarischen Flüchtling werden die Figuren zu einer wichtigen Neuorientierung veranlasst.

Im 1977 erschienenen Roman Alle unsere Spiele beschäftigte sich Mitterer mit der Vergangenheit einer BdM-Führerin und der Erzählbarkeit von Erinnerung. Mitterers Schreibweise war formal konservativ orientiert. Christliche Werte und die Konversion von der evangelischen zur katholischen Konfession werden als Hintergrund ihrer religiösen Lyrik in den 1970er Jahren gesehen.

Sie trat nach 1945 für eine Politik der Versöhnung und gegen die Polarisierung im Kulturbetrieb ein. Eigenen Erinnerungen zufolge setzte sie sich im P.E.N.-Club für Friedrich Torberg und Hans Weigel ein, da diese von einigen Mitgliedern aufgrund ihrer politischen Publizistik als von „Amerika bezahlte Spitzel“ kritisiert wurden. Weigel widmete ihr 1986 ein Buch. Mitterer war Mitglied im P.E.N.-Club und Vorstandsmitglied des ›Verbandes demokratischer Schriftsteller und Journalisten Österreichs‹. Sie wurde mit dem Preis der Stadt Wien für Literatur (1948) und dem Österreichischen Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst (1974) ausgezeichnet.

Verwendete Quellen:

Die Leser schreiben dem Tagebuch ihre Meinung. In: Österreichisches Tagebuch 7 (1952) H. 4, 16.2.1952, S. 4.

Esther Dür: Erika Mitterer und das Dritte Reich: Schreiben zwischen Protest, Anpassung und Vergessen. Wien: Praesens 2006.

Márta Gaál-Baróti: Die kathartische Wirkung der Ungarischen Revolution in der Tauschzentrale von Erika Mitterer. In:

Michael Hansel: Ein Spiegel der Krisen –Erika Mitterers vernachlässigtes Werk. In: Der literarische Zaunkönig 1 (2003) H. 2, S.15-17.

Martin G. Petrowsky und Helga Abret (Hg.): Dichtung im Schatten der großen Krisen. Erika Mitterers Werk im literaturhistorischen Kontext. Wien: Praesens 2006, S. 231-251.

Erika Mitterer: Selbstportät. In: Modern Austrian Literature 21 (1988) H. 2, S. 77-84.

Dies.: Die Problemlösung: „Killt’s Euch gegenseitig!“ Eine Tagebucheintragung vom 28.11.1958. In: Der literarische Zaunkönig 6 (2008) H. 3, S. 4.

Österreichische Intellektuelle grüßen Pariser Weltfriedenskongreß. Beilage zu Österreichisches Tagebuch 4 (1949) H. 4. [Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek, Nachlass Otto Basil, ÖLA 52/W76.]

Hans Weigel: Man kann nicht ruhig darüber reden. Umkreisung eines fatalen Themas. Graz, Wien [u.a.]: Styria 1986.

Zitierbar als: Desiree Hebenstreit, Stefan Maurer und Doris Neumann-Rieser: Erika Mitterer, kk-diskurse.univie.ac.at

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