Institut für Germanistik

Friedrich Heer

Autorenporträt herunterladen

Friedrich Heer, geboren am 10.4.1916 (Wien), gest. am 28.9.1983 (Wien).

Heer studierte ab 1934 Geschichte, Kunstgeschichte und Germanistik in Wien und promovierte 1938. Als Student war er Mitglied des katholischen Cartellverbands.

1940 zur Deutschen Wehrmacht einberufen, wo er als „Wehrbetreuungs“-Unteroffizier einer Luftnachrichtenkompanie in Norddeutschland für ideologisch-weltanschauliche Fragen zuständig war.

Im März 1946 kehrte er nach Wien zurück. In autobiographischen Aussagen und Notizen hielt er seine Tätigkeit in österreichischen Widerstandskreisen fest, jedoch ist seine Verfolgung durch die Gestapo und seine Zeit bei der Wehrmacht aus historischer Perspektive umstritten.

Seit 1946 war er Redakteur der katholischen Monatsschrift Wort und Wahrheit; Mitarbeit an der Zeitschrift Die Furche, die sich für eine katholische Erneuerung und eine Versöhnung der politischen Lager in Österreich einsetzte. Heer fungierte von 1948 bis 1961 als Redaktions-Mitglied der Furche. Er veröffentlichte zahlreiche Aufsätze, Rezensionen, Theaterkritiken, Vorträge, Radiobeiträge und wissenschaftliche Vorlesungen.

Heer trat für die Auflösung der Spannungen zwischen Ost und West sowie gegen das Wettrüsten der Supermächte ein. 1949 erschien im Wiener Europa-Verlag das Gespräch der Feinde, ein Plädoyer für den Dialog über konfessionelle und ideologische Grenzen hinweg. Seine Gesprächsbereitschaft mit ideologischen Gegnern wurde in der kommunistischen Zeitschrift Tagebuch gelobt. Das Thema der Feindesliebe entwickelte Heer in einigen Vorträgen sowie dem Essay Begegnung mit dem Feinde (1955). Wegen seiner Kritik an den sowjetischen Arbeitslagern wurde er von Ernst Fischer angegriffen. 1956 unterschrieb Heer einen Protest gegen den Einmarsch der Truppen des „Warschauer Pakts“ in Ungarn.

Ein 1956 in der Furche erschienener Aufsatz, in dem Heer die im Zuge des „Tauwetters“ entstehenden antistalinistischen Tendenzen der Sowjetunion würdigte, wurde in der österreichischen Presse stark kritisiert. Heer galt als „Linkskatholik“, der offen für kritische Ideen war. Anlässlich seiner Ernennung zum Dramaturgen am Wiener Burgtheater 1961 kam es zu Vorwürfen wegen Mitläufertum und Vorschubleistungen gegenüber dem Sowjet-Kommunismus, die u. a. von Hans Weigel und Friedrich Torberg vorgebracht wurden. Von Torberg als „Abraham a Santa Unclara“ bezeichnet, wurde Heer von Viktor Matejka im Tagebuch verteidigt.

1950 erschien Heers utopischer Roman Der achte Tag im katholischen Tyrolia-Verlag. Um seine wissenschaftliche von der literarischen Tätigkeit zu trennen, veröffentlichte er das Buch unter dem Pseudonym Hermann Gohde. Der Roman befasst sich mit der Rolle des Christentums in einem zukünftigen totalitären Weltstaat. Neben der positiven Rezeption des Romans in der Tradition der utopischen Literatur führte die kirchenkritische Dimension des Werks zur Diskussion sowohl über theologische als auch literarische Fragen. In der den Roman betreffenden öffentlich ausgetragenen Auseinandersetzung mit dem katholischen Volksbildner Ignaz Zangerle, ging es u. a. darum, ob die Gefahr eines kommenden Weltkriegs durch die politische Gefahrenlage bedingt sei oder durch den Unglauben vieler Katholiken. Zangerle sah auch in der Beschreibung der totalitären Gesellschaft eine Gefahr, da diese durch ihre suggestive Wirkung Diktaturen den Weg bereiten könnte.

Obwohl er in akademischen Kreisen umstritten war, wurde ihm 1961 eine außerplanmäßige Professur an der Universität Wien verliehen. Bis 1971 war er als Dramaturg am Burgtheater tätig, anschließend folgte die Ernennung zum Leiter des dortigen Sekretariats für kulturelle Angelegenheiten und internationale Kontakte.

Verwendete Quellen:

Evelyn Adunka: Friedrich Heer (1916-1983). Eine intellektuelle Biographie. Innsbruck [u.a.]: Tyrolia 1995.

Trautl Brandstaller: Friedrich Heer und „Die Furche“ (1946–60). In: Richard Faber (Hg.): Offener Humanismus zwischen den Fronten des Kalten Krieges. Über den Universalhistoriker, politischen Publizisten und religiösen Essayisten Friedrich Heer. Würzburg: Königshausen & Neumann 2005, S. 37-50.

Kurt Dichtl: Friedliches Gespräch. In: Tagebuch 5 (1950) H. 7, 1.4.1950, S. 5.

Ernst Fischer: Sprechen wir von den Konzentrationslagern. In: Tagebuch 5 (1950) H. 2, 19.1.1950, S. 3.

Adolf Gaisbauer: Friedrich Heer (1916-1983). Eine Bibliographie. Wien, Köln: Böhlau 1990, S. 420-472.

Ders.: „Heer-Bilder“ oder: Ein „Wiederruf“ mit Folg(erung)en. In: Richard Faber, Sigurd Paul Scheichl (Hg.): Die geistige Welt des Friedrich Heer. Wien, Köln, Weimar: Böhlau 2008, S. 271-312.

Friedrich Heer: Eine Welt ist zu gewinnen. (Moskau springt über den Schatten.) In: Die Furche, 24.3.1956, S. 3f.

Dennis Lewandowski: Hermann Gohde Der achte Tag (1950). Friedrich Heers Roman einer Weltstunde im Kontext zeitgenössischer Literatur. Frankfurt/M. [u.a.]: Lang 2011.

Viktor Matejka: Friedrich Heer. In: Tagebuch 16 (1961) H. 9, S. 8.

Solidaritätskundgebung österreichischer Schriftsteller für das ungarische Volk. In: Neuer Kurier, 29.10.1956.

N.N.: Grenzen der Narrenfreiheit. In: Wochenpresse, 22.7.1961, S. 1f.

Zitierbar als: Desiree Hebenstreit, Stefan Maurer und Doris Neumann-Rieser: Friedrich Heer, kk-diskurse.univie.ac.at

Institut für Germanistik | FWF-Projekt „Diskurse des Kalten Krieges“ (Projektnummer P 22579-G20)  | Universität Wien  | Universitätsring 1  | A-1010 Wien