Institut für Germanistik

Reinhard Federmann

Autorenporträt herunterladen

Reinhard Federmann, geboren am 12.2.1923 (Wien), gestorben am 29.1.1976 (Wien).

Federmanns Vater war Oberlandesgerichtsrat, der wegen der Nürnberger Gesetze nach dem „Anschluss“ Österreichs im März 1938 vom Dienst suspendiert wurde und 1944 Selbstmord beging. 1942 zur Deutschen Wehrmacht einberufen, geriet Federmann 1944 in russische Kriegsgefangenschaft, aus der er im Herbst 1945 entlassen wurde und nach Wien zurückkehrte.

Neben dem (unabgeschlossenen) Jus-Studium absolvierte er 1946 ein Volontariat im Verlag Erwin Müller, wo er Kontakte zum österreichischen Literaturbetrieb knüpfen konnte. Erste literarische und kulturpolitische Veröffentlichungen folgten in der von Otto Basil herausgegebenen Literatur- und Kulturzeitschrift Plan. Er zählte zum literarischen Kreis um Hans Weigel im Café Raimund. Neben kulturpolitischen Artikeln sowie Prosatexten für die Arbeiter-Zeitung (AZ) verfasste er Gedichte, Theaterstücke sowie Hörspiele und fertigte Übersetzungen aus dem Englischen und Russischen an.

Nachdem Federmann für die Kriegsheimkehrergeschichte Chronik einer Nacht keinen Verlag gefunden hatte, erschien der Roman 1950 in der AZ als Fortsetzungsroman. Am Ende der letzten Folge referierte die AZ die Meinung der damaligen Leser, die eine zeitlose, leichtere Unterhaltungslektüre bevorzugen würden. 1951 wurden in der von Weigel herausgegebenen Reihe „Junge österreichische Autoren“ Federmanns Erzählungen Es kann nicht ganz gelogen sein publiziert, in denen er seine Kriegserlebnisse verarbeitet hat.

Gemeinsam mit Milo Dor betreute Federmann auch die Redaktionsagenden der Anthologie „Stimmen der Gegenwart“, die von Hans Weigel im ›Auftrag der Gesellschaft für Freiheit der Kultur‹ im Jungbrunnen-Verlag herausgegeben wurde, um jungen österreichischen Autorinnen und Autoren ein Forum zu bieten. Federmann war auch im Vorstand des österreichischen Vereins ›Allgemeines Jugendwerk – Gesellschaft für die Freiheit der Kultur‹. Für den von Günther Birkenfeld herausgegebenen Band „Sprung in die Freiheit“ (1953) verfasste er einen Beitrag über die Situation ostdeutscher Flüchtlinge.

Ab den 1950er Jahren schrieb er gemeinsam mit Milo Dor Kriminalromane mit zeithistorischem Hintergrund, u. a. Und einer folgt dem anderen (1953), Internationale Zone (1953) und Die Abenteuer des Herrn Rafaeljan (1963). Gemeinsame Arbeiten mit Dor erschienen unter dem Namen Alexander Dormann bzw. Fedor. Die Shakespeare-Adaption Romeo und Julia in Wien (1954), die die Liebesgeschichte zwischen einer sowjetischen Korrespondentin und einem amerikanischen Journalisten im Wien der Nachkriegszeit erzählt, wurde 1956 stark umgearbeitet unter dem Titel Nina von Rudolf Jugert verfilmt. Als Teil der Generation junger Autorinnen und Autoren, die sich schwer im Literaturbetrieb der österreichischen Nachkriegszeit etablieren konnten, erschienen seine Beiträge in der von Milo Dor herausgegeben Anthologie „Die Verbannten“ (1962). Starke Beachtung fand der mit Dor herausgegebene Band „Gemordete Literatur. Dichter der russischen Revolution“ (1963). 1957 übersetzte Federmann den Essay Die neue Klasse des kommunistischen Dissidenten Milovan Đilas.

Der 1959 im deutschen Verlag Langen-Müller erschienene Roman Himmelreich der Lügner thematisierte die politischen Ereignisse in Österreich ab den 1930er Jahren aus der Sicht eines enttäuschten Sozialisten, der aus dem sowjetischen Exil in das Österreich der Nachkriegszeit zurückkehrt und der „heimatlosen Linken“ zurechenbar ist. Das Buch wurde sowohl in Deutschland als auch in Österreich breit rezipiert. Während Hans Weigel die im Buch angesprochene Problematik als symptomatisch für die „heimatlose Linke“ interpretierte, nahm Gerhard Fritsch das Gegenteil an: Ohne die Beschreibung einer politischen Bekehrung dokumentiert der Roman die politischen Ereignisse zwischen 1934 und 1956. 1965 übersiedelte Federmann nach München, arbeitete bei der Zeitschrift Bunte Illustrierte und im Verlag Ullstein und kehrte 1971 nach Wien zurück. Ab 1972 fungierte er als Herausgeber der Literaturzeitschrift Pestsäule. Seit 1961 fungierte er als Mitglied des österreichischen P.E.N.-Clubs sowie als P.E.N.-Generalsekretär (1973-1976) und Organisator des P.E.N.-Kongresses 1975.

Verwendete Quellen:

Milovan Đilas: Die neue Klasse: eine Analyse des kommunistischen Systems. München: Kindler 1957.

Milo Dor (Hg.): Die Pestsäule. In memoriam Reinhard Federmann. Wien: Löcker & Wögenstein 1977.

Reinhard Federmann: Weltbürger im Niemandsland. In: Plan 2 (1947) H. 1, S. 58.

Ders.: Das Recht der Kunst. In: Plan 1 (1946) H. 10, S. 844.

Gerhard Fritsch: Hier kommt ein Mensch. Reinhard Federmann. In: Wort in der Zeit 8 (1962) H. 3, S. 4-11.

N.N.: Unser neuer Roman. In: Arbeiter-Zeitung, 24.1.1951, S. 3.

Elizabeth L. Pennebaker: „Ideas instead of bombs“. An examination of anti-communism in Cold War Austria and its reflection in five novels (1950-1962). Univ.-Diss. Oxford 2001. S. 307f.

Hermann Schreiber: Über Reinhard Federmann (1923-1976). In: Literatur und Kritik 28 (1993) H. 273/274, S. 99-104.

Günther Stocker: Der Fall Federmann oder Wie man außerhalb des Kanons bleibt. In: Jürgen Struger (Hg.): Der Kanon – Perspektiven, Erweiterungen und Revisionen. Tagung österreichischer und tschechischer Germanistinnen und Germanisten. Olmütz/Olomouc, 20.-23.9.2007. Wien: Praesens 2008, S. 225-238.

Hans Weigel: Das Buch meiner Wahl. Reinhard Federmann: „Das Himmelreich der Lügner“. Norddeutscher Rundfunk, Hannover, 7.2.1960, Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek, Nachlass Reinhard Federmann, Sign. 386/S263/7.

Zitierbar als: Desiree Hebenstreit, Stefan Maurer und Doris Neumann-Rieser: Reinhard Federmann, kk-diskurse.univie.ac.at

Institut für Germanistik | FWF-Projekt „Diskurse des Kalten Krieges“ (Projektnummer P 22579-G20)  | Universität Wien  | Universitätsring 1  | A-1010 Wien