Institut für Germanistik

Milo Dor

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Milo Dor, geboren am 7.3.1923 (Budapest) als Milutin Doroslovac, gestorben am 5.12.2005 (Wien), Sohn eines serbischen Landarztes, der in Jugoslawien aufwuchs, war schon in frühester Jugend politisch und literarisch aktiv. Er schloss sich 1940 dem ›Ortskomitee des Bundes der kommunistischen Jugend Jugoslawiens‹ an.

1942 wurde er von der serbischen Spezialpolizei, den Helfern der nationalsozialistischen Besatzer, verhaftet und gefoltert. 1943 wurde er als Zwangsarbeiter nach Wien gebracht, wo er im September 1944 von der Gestapo verhaftet und erneut gefoltert wird.

Nach Kriegsende bleibt er in Wien und beginnt ein Studium der Theaterwissenschaften. Seine in der von Otto Basil herausgegebenen Literatur- und Kulturzeitschrift Plan publizierte Erzählung Worte, auf die graue Wand geschrieben ist 1944 während seiner Gestapohaft entstanden.

1947 erschien sein erster Erzählband Unterwegs im Erwin Müller Verlag. Ab 1949 lebt er als freier Schriftsteller, publiziert zahlreiche Artikel zu zeitgenössischen kulturpolitischen Fragen z.B. in Akademische Rundschau, Strom oder Forvm und übersetzt jugoslawische Literatur. Dor und Reinhard Federmann gehörten zum Vorstand des österreichischen Vereins ›Allgemeines Jugendwerk – Gesellschaft für die Freiheit der Kultur‹ und redigierten die Reihe Stimmen der Gegenwart, die von Hans Weigel im Auftrag der ›Gesellschaft für Freiheit der Kultur‹ herausgegeben wurde.

Nachdem Dor 1951 auf Einladung von Hans Werner Richter bei der ›Gruppe 47‹ aus seinem Roman Tote auf Urlaub gelesen hatte, erschien der autobiographisch geprägte Roman 1952 bei der ›Deutschen Verlagsanstalt‹. Der autobiographisch inspirierte Text erzählt von einem kommunistischen Widerstandskämpfers, der durch kritische Äußerungen in Konflikt mit seinen Parteigenossen gerät und ausgeschlossen wird. Diese frühe Abkehr von der KP kennzeichnet auch Dor selbst. Die Presse würdigte die sprachliche Qualität des Romans und diskutierte Dors Auseinandersetzung mit politischen Ideologien als symptomatisch für die Enttäuschungen einer Generation (h.h.h.). Hans Weigel betonte die im Buch angesprochene Problematik linker Intellektueller, nach einer Abkehr vom Kommunismus keine politische Zugehörigkeit mehr zu finden. Dor selbst beschrieb in Zusammenhang mit dem Roman die erfolglose Suche nach einem österreichischen Verlag und wie es zur Publikation des Buches in Deutschland kam (Dor 1988, S. 121-138). Die enttäuschenden Erfahrungen seiner Generation im österreichischen Literaturbetrieb hat Dor auch durch die Herausgabe der Anthologie Die Verbannten (1962) artikuliert, die vom SPÖ-Politiker Peter Strasser unterstützt wurde.

Ab den 1950er Jahren verfasste Dor gemeinsam mit Reinhard Federmann verschiedene Kriminalromane mit zeithistorischem Hintergrund, darunter Und einer folgt dem anderen (1953), Internationale Zone (1953) und Die Abenteuer des Herrn Rafaelijan (1963). Die Shakespeare-Adaption Romeo und Julia in Wien (1954), die die Liebesgeschichte zwischen einer sowjetischen Korrespondentin und einem amerikanischen Journalisten im Wien der Nachkriegszeit erzählt, wurde unter dem Titel Nina mit Karlheinz Böhm und Anouk Aimée verfilmt.

1953 war Dor auf Einladung des ›Kongresses für die Freiheit der Kultur‹ als Korrespondent in Berlin, um sich mit dem Thema politischer Flüchtlinge zu beschäftigen und verfasste einen Text für den von Günther Birkenfeld herausgegebenen Band Sprung in die Freiheit (1953) (vgl. zu Dors Engagement gegen kommunistische Diktaturen, insbesondere der DDR auch: Milo Dor an Hans Werner Richter). Stark beachtet wurde der mit Federmann herausgegebene Band Gemordete Literatur. Dichter der russischen Revolution (1963), der Texte von Dichtern versammelte, die vom Stalinismus verfolgt worden waren. Die beiden Romane Nichts als Erinnerung (1959) und Die weiße Stadt (1969) bilden gemeinsam mit Tote auf Urlaub die z. T. autobiografische Raikow-Saga, die als Gesamtausgabe 1979 bei Langen-Müller erschien. Die drei Romane wurden Ende der 1970er bzw. Anfang der 1980er Jahre fürs Fernsehen verfilmt.

Dor schrieb weitere Romane, Erzählungen, Hörspiele und Drehbücher, in denen historisch-politische Themen und die Geschichte Mitteleuropas im Zentrum stehen und war auch kulturpolitisch als Vizepräsident des österreichischen PEN-Club, und seit 1971 Präsident der IG Autoren sehr aktiv. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen, u.a. 1962 den Österreichischen Staatspreis für Literatur.

Verwendete Quellen:

Milo Dor: Worte, auf die graue Wand geschrieben. In: Plan 1 (1945) H. 7, S. 573.

Milo Dor an Hans Werner Richter, Hans Magnus Enzensberger, Wolfgang Hildesheimer, Heinz von Cramer und Robert Jungk, Brief v. 28.10.1960. In: Hans Werner Richter: Briefe. Hg. v. Sabine Cofalla. München: Hanser 1997, S. 323f.

Milo Dor: Auf dem falschen Dampfer. Fragmente einer Autobiographie. Wien: Zolnay 1988.

N.N.: Dossier Milo Dor. In: Literatur und Kritik 28 (1993) H. 1 = 271/272, S. 55-80.

h[ans] h[einz] h[ahnl]: Tote auf Urlaub. In: Die Zukunft. Sozialistische Monatsschrift für Politik, Wirtschaft, Kultur (1952) H. 7/8, Juli/August, S. 243.

Helmuth A. Niedlere (Hg.): Milo Dor. Beiträge und Materialien: Wien [u.a.]: Zsolnay 1988.

N.N.: „Die Verbannten“. Dankbarkeit unerwünscht. In: Wochen-Presse (1962) H. 44, 3.11.1962.

Hans Weigel: Mitteleuropas heimatlose Linke. In: Der Monat 4 (1952) H. 43, April, S. 87-91.

Zitierbar als: Desiree Hebenstreit, Stefan Maurer und Doris Neumann-Rieser: Milo Dor, kk-diskurse.univie.ac.at

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