Institut für Germanistik

Ulrich Becher

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Ulrich Becher, geboren am 2.1.1910 (Berlin), gestorben am 15.4.1990 (Basel), wuchs als Sohn eines Juristen und einer Pianistin in Berlin auf.

Ab 1929 studierte er Jura in Genf, Berlin und Leipzig und nahm Zeichenunterricht bei George Grosz, mit dem ihn eine lebenslange und in Briefwechseln dokumentierte Freundschaft verband. 1932 kam bei Rowohlt mit dem Novellenband Männer machen Fehler sein literarisches Debüt heraus, das 1933 als ‚entartet’ bezeichnet und verboten wurde. In der „Liste des schädlichen und unerwünschten Schrifttums“, wird allerdings von Ulrich Becher nur der Titel Die Eroberer (Oprecht 1936) als verboten geführt.

Becher emigrierte 1933 nach Wien, wo er die österreichische Staatsbürgerschaft annahm und im November Dana Roda Roda heiratete, die Tochter des österreichischen Autors Alexander Roda Roda. Im März 1938 emigrierte er in die Schweiz (Mitarbeit an verschiedenen Zeitschriften). 1941 emigrierte er mit seiner Familie weiter nach Brasilien (Mitarbeit in der parteienübergreifenden Emigrantenorganisation ›Das andere Deutschland‹, die von Pieter Siemsen geleitet wurde und eine gleichnamige Zeitschrift herausgab). Im Juli 1944 übersiedelte Becher in die USA (New York), 1948 kehrte er zunächst nach Wien zurück, bevor er sich 1954 in der Schweiz (Basel) niederließ.

Als Grund für die Remigration nach Österreich gilt der Erfolg seines gemeinsam mit Peter Preses verfassten Dramas Der Bockerer, das die Geschichte eines Wiener Fleischhauers in der Zeit von 1938 bis 1945 erzählt. Es erschien 1946 im Wiener Sexl-Verlag und wurde am 4.10.1948 am ›Neuen Theater in der Scala‹ uraufgeführt. Das Stück bekam große mediale Aufmerksamkeit, wobei anzumerken ist, dass die ›Scala‹ noch keinen antikommunistischen Anfeindungen ausgesetzt war. Mit Friedrich Torberg kam es im Zusammenhang mit dem Bockerer zu einem gerichtlich ausgetragenen Urheberrechtsstreit (vgl. Sommer/Weber, S. 20). Nachdem Torberg Becher auch der Nähe zum Kommunismus verdächtigte, blieb das Verhältnis der beiden angespannt, ebenso das Verhältnis von Becher zu Hans Weigel, über den Becher die Satire Vindobonus, der Gefürchtete verfasst hat.

Bechers Werk umfasst Prosa, Dramen, Hörspiele und Romane, die sich mit politischen Themen wie Nationalsozialismus, Krieg, Emigration und Atomwaffen beschäftigten. Nachdem Bechers Novelle Die Frau und der Tod 1949 im Aufbau-Verlag in Ostberlin erschienen war, kam sie 1950 auch im Novellenband Nachtigall will zum Vater fliegen. Ein Zyklus Newyorker Novellen in vier Nächten, der George Grosz gewidmet ist (vgl. Asmus, S. 41), im Wiener Sexl Verlag heraus. 1957 erschien Bechers Roman Kurz nach 4 bei Rowohlt, für den die politischen Konflikte der österreichischen Zwischenkriegszeit bis in die Nachkriegszeit den zeithistorischen Hintergrund bilden. Zur Publikation des Romans in der DDR ist die Auseinandersetzung mit dem Aufbau-Verlag über die Streichung von politisch brisanten Stellen dokumentiert, in denen Kritik am kommunistischen Dogmatismus geübt wurde. (vgl. Faber/Wurm, S. 26f.)

1957 erschien Bechers Sammelband Spiele der Zeit, sowohl bei Rowohlt als auch bei Aufbau. Der Band enthält u.a. das Drama Die Kleinen und die Großen. Neue Zauberposse in zwei Akten. Diese Satire auf das Atomzeitalter blieb unaufgeführt, wurde aber immerhin in der ostdeutschen Zeitschrift Aufbau teilabgedruckt und von Werner Mittenzwei besprochen. 1961 beklagte sich Becher bei dem österreichischen Journalisten Johann Muschik, dass Friedrich Torberg seit 1954 eine Aufführung seiner Stücke in Wien verhindere. 1958 unterzeichnete er den Aufruf westdeutscher Intellektueller gegen atomare Bewaffnung, der in Österreich polemische Reaktionen Friedrich Torbergs auslöste. 1969 erschien der autobiographisch geprägte Roman Murmeljagd, dessen Protagonist Marxist ist. 1955 erhielt er den Dramatiker-Preis des Deutschen Bühnenvereins, 1976 den Preis der Schweizer Schillerstiftung, 1980 das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst. Er war Mitglied im deutschen und im österreichischen PEN-Club.

Verwendete Quellen:

Sylvia Asmus: Aus Kisten, Koffern und Schachteln. Der Teilnachlass des Schriftstellers Ulrich Becher im Deutschen Exilarchiv 1933-1945 der Deutschen Nationalbibliothek. In: Bundesamt f. Kultur (Hg.): Ulrich Becher = Quarto, S. 38-43.

Ulrich Becher: Die Kleinen und die Großen. Neue Zauberposse in zwei Akten. In: Aufbau 11 (1955) H. 11/12, November/Dezember, S. 1069-1077.

Ulrich Becher an Hans Muschik, Postkarte vom 5.4.1961, Autographensammlung der Dokumentationsstelle für neuere österreichische Literatur, Wien, Sign.: H.1. Becher, Ulrich.

Ders.: Vindobonus der Gefürchtete. In: Ders.: SIFF. Selektive Identifizierung von Freund und Feind. Zürich, Köln: Benzinger 1978, S. 100-105.

Ulrich Becher, Gerorge Grosz: Flaschenpost. Geschichte einer Freundschaft. Hg. von Uwe Naumann. Basel: Lenos 1989.

Bundesamt f. Kultur [Schweiz] (Hg.): Ulrich Becher. = Quarto. Zeitschrift des Schweizerischen Literaturarchivs 2009 H. 3 = 29.

Deutsche Nationalbibliothek, Deutsches Exilarchiv 1933-1945.

Elmar Faber, Carsten Wurm (Hg.): ...und leiser Jubel zöge ein. Autoren- und Verlegerbriefe 1950-1959. Berlin: Aufbau Taschenbuch-Verlag 1992, S. 26f.

Werner Mittenzwei: Dramatik gegen die Atomkriegsgefahr. In: Institut für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED (Hg.): Sozialismus und Frieden. Berlin: Dietz Verlag 1961; wieder abgedruckt in Werner Mittenzwei: Kampf der Richtungen. Strömungen und Tendenzen der internationalen Dramatik. Leipzig: Reclam 1978, S. 349-435.

Marina Sommer, Ulrich Weber: Der Teilnachlass von Ulrich Becher im Schweizerischen Literaturarchiv. In: Bundesamt f. Kultur [Schweiz] (Hg.): Ulrich Becher = Quarto, S. 18-20

Alfred Stary: Der Bockerer: Von der kritischen Posse zur Nationalliteratur. In: Bundesamt f. Kultur (Hg.): Ulrich Becher = Quarto, S. 76-80.

Friedrich Torberg: „Fast das ganze geistige Deutschland...“ Zu den Protestaktionen der bundesdeutschen Intellektuellen [1958]. In: Forvm 5 (1958) H. 53, Mai, S. 166f.; auch abgedruckt in: Ders.: PPP. Pamphlete, Parodien, Postscripta. München, Wien: Langen Müller 1964, S. 118.

Nancy Zeller, Anne McClure: Ulrich Becher. A computer-assisted case study of the reception of an exile. Berne, New York [u.a.]: Lang 1983.

Martin Zingg: „Uhl, wei dohnt juh räite?“ Zwei Experten für Weltuntergänge: Ulrich Becher und George Grosz im Briefwechsel. In: Bundesamt f. Kultur (Hg.): Ulrich Becher = Quarto, S. 62-65.

Zitierbar als: Desiree Hebenstreit, Stefan Maurer und Doris Neumann-Rieser: Ulrich Becher, kk-diskurse.univie.ac.at

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